Beschluss: mehrheitlich beschlossen

Abstimmung: Ja: 17, Nein: 4, Enthaltungen: 1, Befangen: 0

Beschluss:

 

Der Stadtrat der Stadt Jessen (Elster) beschließt, bei der regionalen Planungsgemeinschaft Anhalt-Bitterfeld-Wittenberg folgenden Antrag nach § 9 Abs. 4 LEntwG LSA zu stellen:

 

Die Stadt Jessen (Elster) beantragt hiermit als Träger der kommunalen Planungshoheit im Gemeindegebiet, die in der Anlage dargestellte Fläche vollständig im Regionalen Entwicklungsplan als Vorranggebiet für die Nutzung der Windenergie mit der Wirkung eines Eignungsgebietes für zulässigerweise außerhalb von Vorranggebieten oder Eignungsgebieten errichtete Windenergieanlagen, für die ein Repowering vorgesehen ist, auszuweisen.

 

In dem Gebiet dürfen neue Anlagen nur errichtet werden, wenn sie mindestens zwei Altanlagen ersetzen, die sich in demselben Landkreis oder in derselben kreisfreien Stadt, einem der angrenzenden Landkreise oder einer angrenzenden kreisfreien Stadt wie der Standort der neuen Anlage befinden, oder wenn sie mindestens eine Altanlage außerhalb eines Vorrang- oder Eignungsgebietes innerhalb des Landes Sachsen-Anhalt ersetzen, sowie die Altanlagen einschließlich ihrer Fundamente vollständig, frühestens fünf Jahre vor und spätestens bis zu der Inbetriebnahme der neuen Anlagen abgebaut werden und der Bauherr sich dazu gegenüber der Genehmigungsbehörde ausdrücklich verpflichtet.

 

Das auszuweisende Gebiet ergibt sich aus der diesem Beschluss anliegenden Übersichtskarte.

 

Gleichzeitig wird der Beschluss Nr. 25/02 vom 4.6.2002

„Beschluss gegen die Errichtung von Windkraftanlagen“ aufgehoben.


Bürgermeister Jahn leitet die Diskussion zum vorliegenden Beschluss mit einer ausführlichen Historie zur Windenergie-Nutzung im Stadtgebiet Jessen (Elster) ein. Er führt aus, dass der durch den Klimawandel beschlossene Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energien eine neue Bedeutung bekommt. Windenergie, Solarenergie und Elektrolyse von Wasserstoff sind die Basis für Wärmeenergie.

Laut Bundesregierung muss das Land Sachsen-Anhalt innerhalb von 10 Jahren 2,2 % der Landesfläche zur Nutzung von Windenergie ausweisen..

Derzeit sind erst 1,1% ausgewiesen. Deshalb werden Windeignungsgebiete gesucht und auch der Mindestabstand zur Wohnbebauung von 1000 m in Frage gestellt. Die heutige Beschlussvorlage liegt einer 2-jährigen Meinungsfindung zu Grunde.

Bürgermeister Jahn spiegelt wider, dass grundsätzlich niemand gegen erneuerbare Energien ist, aber die lokale Betroffenheit zum Vorranggebiet durchaus auch 2 Jahre wahrzunehmen ist. Der Stadtrat möchte gern in vollster Übereinstimmung mit den Lindaer Bürgern eine Entscheidung treffen, dies wird aber nicht erreichbar sein und es wird auch keine abschließende Diskussion mit einer allgemeinen Vereinbarung geben können. Er äußert, dass auch der Ortsteilbeirat von der Verwaltung angehört wurde und dieser gab eine geteilte Meinung ab. Eine rechtlich korrekte Bürgerbefragung wäre nun im gesamten Stadtgebiet rechtsicher und schien nicht zweckmäßig. Die Entscheidung liegt somit bei den Stadtratsmitgliedern.

Er bringt die Erfordernisse des Klimawandels und die Erfordernisse der aktuellen Brennstoff-Krise mit Beginn des Ukraine-Krieges als Gründe für eine heutige Beschlussfassung an. Er führt weiter zu den lokalen Aspekten zum Windeignungsgebiet aus. Es findet Repowering statt, was bedeutet, dass aus zwei Anlagen eine leistungsstärkere wird. Es gibt gesetzlich fixierte Beteiligungen der Kommune und die Willensbekundung des Betreibers zur Beteiligung der Bürger Lindas. Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen müssen umgesetzt werden und die Zustimmung des landwirtschaftlichen Bewirtschafters Glücksburg Agrar e.G. liegt vor. Die Zustimmungen der Flächeneigentümer, also der Lindaer Bürger, die an der Wertschöpfung direkt beteiligt sind, liegen ebenso vor. Und es gibt ein Planverfahren, welches Schützenswertes (Natur, Landwirtschaft, Tierschutz, Immissionsschutz, Abstandsregeln…) berücksichtigt.

Bei der derzeitigen Entwicklung ist klar, dass weitere Windeignungsgebiete in Vorranggebiete umgewandelt werden. Linda ist bereits ein solches und benötigt nur noch dieses Gesetz zur formellen Umwandlung. Es wird also so oder so kommen, berichtet er. Aber es sollte nicht die Möglichkeit verstrichen werden, dieses Gebiet von der Verwaltung aus auf den Weg zu bringen und daran zeitiger zu partizipieren, meint er.

 

Stadtratsvorsitzender Danneberg unterstützt die wohlwollende Meinung und die Beteiligung der Kommune innerhalb der Selbstverwaltung. In entsprechenden Verträgen können Gewinn und Nutzungen vereinbart und geregelt werden.

 

Stadtrat Siegel hinterfragt nochmals die Beteiligung des Ortsteilbeirates von Linda bzw. die Einladung der Mitglieder in die Ausschüsse. Bürgermeister Jahn entgegnet,  gegebenenfalls ist hier eine Lücke in der Kommunikation innerhalb der Fraktion. Denn im Finanzausschuss wurde sich darüber verständigt, dass eine gesonderte Einberufung des Ortsteilbeirates entbehrlich ist. Die Mitglieder des Stadtrates hatten auch alle diese 2 Jahre die Möglichkeit, sich individuell eine Meinung im Ort zu bilden.

 

Stadtrat Baumgart äußert dazu, dass seine Fraktion den Weg nach Linda gesucht hat, es aber dennoch schwierig sei, ein allgemeines Bild zur Meinungslage zu machen.

 

Stadtrat Siegel hinterfragt nochmals, ob jeder Lindaer Bürger „vergütet“ werden würde.

Stadtratsvorsitzender Danneberg antworte, dass es sich dabei um ein rein privates Verfahren handelt, zwischen dem einzelnen Bürger und der Firma.

 

Bürgermeister Jahn ergänzt, dass jeder Stadtrat seinem Gewissen verpflichtet ist und sich eine Meinung zu bilden hat, auf der Basis der Meinung aus Linda.

 

Stadträtin Wolf äußert, dass es keine leichte Entscheidung ist, besonders in Hinblick auf die privaten Empfindungen der Einwohner. Ihre Fraktion hat sich lange damit beschäftigt, äußere Bedingungen betrachtet und sich auch mitunter Gehör verschafft, bei der Betreiberfirma und den entsprechenden Ansprechpartnern.

 

Stadtrat Richter kann für diesen Beschluss nur werben, denn die Entwicklung dieser Energien und die Akzeptanz von Wind und Solarkraft sollte auch bei uns ankommen und vorherrschen.

 

Stadtrat Luczak sieht das nicht so. Er sah die Beteiligung von Linda eher gegen diesen Beschluss und äußert, dass er selbst nicht dafür ist. Er stellt den Antrag auf namentliche Abstimmung.

 

Stadtrat Riedel ist über den Appell zur „Werbung“ von Stadtrat Richter zum Beschluss entsetzt und möchte ebenso eine namentliche Abstimmung.

 

Stadtrat Klotz verweist darauf, dass es mit der Beschlussfassung um eine Antragstellung zur Ausweisung des Gebietes geht, noch nicht um die Errichtung eines Windparks.

 

Bürgermeister Jahn unterstreicht nochmals, dass eine Meinungsbildung seit 2 Jahren stattfindet und stattfinden sollte. Die Entscheidungsverantwortung bleibt bei den Stadträten.

 

Stadtratsvorsitzender Danneberg bittet um Abstimmung des Antrages von Stadtrat Luczak zu einer namentlichen Abstimmung zum Beschluss.

Der Antrag wird mit 9 Ja-Stimmen, 11 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen abgelehnt.

 

Stadträtin Wolf gibt noch den Hinweis, dass laut Geschäftsordnung bei Bedarf eine namentliche Erwähnung zur Abstimmung im Protokoll erfolgen kann.

 

Die Stadträte Luczak, Riedel, Siegel und Freydank stimmen gegen den Beschluss und bitten um namentliche Erwähnung im Protokoll.