Sitzung: 05.07.2022 Stadtrat
Beschluss: mehrheitlich beschlossen
Abstimmung: Ja: 17, Nein: 4, Enthaltungen: 1, Befangen: 0
Beschluss:
Der Stadtrat der
Stadt Jessen (Elster) beschließt, bei der regionalen Planungsgemeinschaft
Anhalt-Bitterfeld-Wittenberg folgenden Antrag nach § 9 Abs. 4 LEntwG LSA zu
stellen:
Die Stadt Jessen
(Elster) beantragt hiermit als Träger der kommunalen Planungshoheit im
Gemeindegebiet, die in der Anlage dargestellte Fläche vollständig im Regionalen
Entwicklungsplan als Vorranggebiet für die Nutzung der Windenergie mit der
Wirkung eines Eignungsgebietes für zulässigerweise außerhalb von
Vorranggebieten oder Eignungsgebieten errichtete Windenergieanlagen, für die
ein Repowering vorgesehen ist, auszuweisen.
In dem Gebiet dürfen
neue Anlagen nur errichtet werden, wenn sie mindestens zwei Altanlagen
ersetzen, die sich in demselben Landkreis oder in derselben kreisfreien Stadt,
einem der angrenzenden Landkreise oder einer angrenzenden kreisfreien Stadt wie
der Standort der neuen Anlage befinden, oder wenn sie mindestens eine Altanlage
außerhalb eines Vorrang- oder Eignungsgebietes innerhalb des Landes
Sachsen-Anhalt ersetzen, sowie die Altanlagen einschließlich ihrer Fundamente
vollständig, frühestens fünf Jahre vor und spätestens bis zu der Inbetriebnahme
der neuen Anlagen abgebaut werden und der Bauherr sich dazu gegenüber der
Genehmigungsbehörde ausdrücklich verpflichtet.
Das auszuweisende
Gebiet ergibt sich aus der diesem Beschluss anliegenden Übersichtskarte.
Gleichzeitig wird der Beschluss Nr. 25/02 vom 4.6.2002
„Beschluss gegen die Errichtung von Windkraftanlagen“ aufgehoben.
Bürgermeister Jahn leitet die Diskussion zum vorliegenden
Beschluss mit einer ausführlichen Historie zur Windenergie-Nutzung im
Stadtgebiet Jessen (Elster) ein. Er führt aus, dass der durch den Klimawandel beschlossene Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energien
eine neue Bedeutung bekommt. Windenergie, Solarenergie und Elektrolyse von
Wasserstoff sind die Basis für Wärmeenergie.
Laut
Bundesregierung muss das Land Sachsen-Anhalt innerhalb von 10 Jahren 2,2 % der
Landesfläche zur Nutzung von Windenergie ausweisen..
Derzeit sind erst
1,1% ausgewiesen. Deshalb werden Windeignungsgebiete gesucht und auch der
Mindestabstand zur Wohnbebauung von 1000 m in Frage gestellt. Die heutige
Beschlussvorlage liegt einer 2-jährigen Meinungsfindung zu Grunde.
Bürgermeister Jahn
spiegelt wider, dass grundsätzlich niemand gegen erneuerbare Energien ist, aber
die lokale Betroffenheit zum Vorranggebiet durchaus auch 2 Jahre wahrzunehmen
ist. Der Stadtrat möchte gern in vollster Übereinstimmung mit den Lindaer
Bürgern eine Entscheidung treffen, dies wird aber nicht erreichbar sein und es
wird auch keine abschließende Diskussion mit einer allgemeinen Vereinbarung
geben können. Er äußert, dass auch der Ortsteilbeirat von der Verwaltung
angehört wurde und dieser gab eine geteilte Meinung ab. Eine rechtlich korrekte
Bürgerbefragung wäre nun im gesamten Stadtgebiet rechtsicher und schien nicht
zweckmäßig. Die Entscheidung liegt somit bei den Stadtratsmitgliedern.
Er bringt die
Erfordernisse des Klimawandels und die Erfordernisse der aktuellen
Brennstoff-Krise mit Beginn des Ukraine-Krieges als Gründe für eine heutige
Beschlussfassung an. Er führt weiter zu den lokalen Aspekten zum
Windeignungsgebiet aus. Es findet Repowering statt, was bedeutet, dass aus zwei
Anlagen eine leistungsstärkere wird. Es gibt gesetzlich fixierte Beteiligungen
der Kommune und die Willensbekundung des Betreibers zur Beteiligung der Bürger
Lindas. Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen müssen umgesetzt werden und die
Zustimmung des landwirtschaftlichen Bewirtschafters Glücksburg Agrar e.G. liegt
vor. Die Zustimmungen der Flächeneigentümer, also der Lindaer Bürger, die an
der Wertschöpfung direkt beteiligt sind, liegen ebenso vor. Und es gibt ein
Planverfahren, welches Schützenswertes (Natur, Landwirtschaft, Tierschutz,
Immissionsschutz, Abstandsregeln…) berücksichtigt.
Bei der derzeitigen
Entwicklung ist klar, dass weitere Windeignungsgebiete in Vorranggebiete
umgewandelt werden. Linda ist bereits ein solches und benötigt nur noch dieses
Gesetz zur formellen Umwandlung. Es wird also so oder so kommen, berichtet er.
Aber es sollte nicht die Möglichkeit verstrichen werden, dieses Gebiet von der
Verwaltung aus auf den Weg zu bringen und daran zeitiger zu partizipieren,
meint er.
Stadtratsvorsitzender
Danneberg unterstützt die wohlwollende Meinung und die Beteiligung der Kommune
innerhalb der Selbstverwaltung. In entsprechenden Verträgen können Gewinn und
Nutzungen vereinbart und geregelt werden.
Stadtrat Siegel
hinterfragt nochmals die Beteiligung des Ortsteilbeirates von Linda bzw. die
Einladung der Mitglieder in die Ausschüsse. Bürgermeister Jahn entgegnet, gegebenenfalls ist hier eine Lücke in der
Kommunikation innerhalb der Fraktion. Denn im Finanzausschuss wurde sich
darüber verständigt, dass eine gesonderte Einberufung des Ortsteilbeirates
entbehrlich ist. Die Mitglieder des Stadtrates hatten auch alle diese 2 Jahre
die Möglichkeit, sich individuell eine Meinung im Ort zu bilden.
Stadtrat Baumgart
äußert dazu, dass seine Fraktion den Weg nach Linda gesucht hat, es aber
dennoch schwierig sei, ein allgemeines Bild zur Meinungslage zu machen.
Stadtrat Siegel
hinterfragt nochmals, ob jeder Lindaer Bürger „vergütet“ werden würde.
Stadtratsvorsitzender
Danneberg antworte, dass es sich dabei um ein rein privates Verfahren handelt,
zwischen dem einzelnen Bürger und der Firma.
Bürgermeister Jahn
ergänzt, dass jeder Stadtrat seinem Gewissen verpflichtet ist und sich eine
Meinung zu bilden hat, auf der Basis der Meinung aus Linda.
Stadträtin Wolf
äußert, dass es keine leichte Entscheidung ist, besonders in Hinblick auf die
privaten Empfindungen der Einwohner. Ihre Fraktion hat sich lange damit
beschäftigt, äußere Bedingungen betrachtet und sich auch mitunter Gehör
verschafft, bei der Betreiberfirma und den entsprechenden Ansprechpartnern.
Stadtrat Richter
kann für diesen Beschluss nur werben, denn die Entwicklung dieser Energien und
die Akzeptanz von Wind und Solarkraft sollte auch bei uns ankommen und
vorherrschen.
Stadtrat Luczak
sieht das nicht so. Er sah die Beteiligung von Linda eher gegen diesen
Beschluss und äußert, dass er selbst nicht dafür ist. Er stellt den Antrag auf
namentliche Abstimmung.
Stadtrat Riedel ist
über den Appell zur „Werbung“ von Stadtrat Richter zum Beschluss entsetzt und
möchte ebenso eine namentliche Abstimmung.
Stadtrat Klotz
verweist darauf, dass es mit der Beschlussfassung um eine Antragstellung zur
Ausweisung des Gebietes geht, noch nicht um die Errichtung eines Windparks.
Bürgermeister Jahn
unterstreicht nochmals, dass eine Meinungsbildung seit 2 Jahren stattfindet und
stattfinden sollte. Die Entscheidungsverantwortung bleibt bei den Stadträten.
Stadtratsvorsitzender
Danneberg bittet um Abstimmung des Antrages von Stadtrat Luczak zu einer
namentlichen Abstimmung zum Beschluss.
Der Antrag wird mit
9 Ja-Stimmen, 11 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen abgelehnt.
Stadträtin Wolf
gibt noch den Hinweis, dass laut Geschäftsordnung bei Bedarf eine namentliche
Erwähnung zur Abstimmung im Protokoll erfolgen kann.
Die Stadträte Luczak, Riedel, Siegel und Freydank stimmen gegen den Beschluss und bitten um namentliche Erwähnung im Protokoll.